Hi, Ich bin Tanja!

Ich freue mich, dass du hier bist! Ich schreibe hier über das Leben und teile meine Gedanken und Insights meiner ganz eigenen Reise als Coach, Sportlerin und Reisende, die ihre Heimat verlassen hat. Das ist kein Reiseblog, aber ich lade dich ein, mit mir auf eine ganz persönliche Reise zu gehen. Viel Spaß dabei!

Diese Themen findest du auf meinem Blog

Mein jährliches Schweigeretreat steht vor der Tür. Und klopft an. Laut! Sehr laut sogar, für so ein leises event. Denn ich weiß: Eigentlich habe ich viel zu tun. Sehr viel sogar. Es ist Herbst. Oktober. Der sah mal ziemlich mau aus. Aber wie das dann doch immer so ist. Nun ist es aber so, dass so ein retreat mir heilig ist. Und das ist genau genommen auch gut so. Denn folgende Momente können sich dort ergeben. Nein, sie ergeben sich nicht einfach. Sie sind mit dir da. Manchmal nur mit dir. Denn das war beim letzten Mal so…

Ich packe meine Tasche. Und nehme mit…alles was mir gut tut. Nichts weiter. Kein Material, keine Unterlagen, kein iPad, nichtmal ein Buch. Der Anlass ist mein traditionelles Herbst retreat im Kamalashila Institut in der Eifel. Ja, das ist es. MEIN retreat. Ich schweige. Und das tue ich genüsslich und ohne Unterbrechung vier Tage lang. Und das für viele noch kurioseste dabei: ich schweige in einer Gruppe. Was klingt wie ein Experiment, wo man doch „sicherlich ab und zu ein Auge zudrücken darf, so beim Essen oder so…ne?“, ist harte Arbeit und Entspannung zugleich. Deshalb reise ich seit nunmehr einigen Jahren immer an diesen Ort der Stille um mit anderen Menschen das zu teilen, was uns im Alltag häufig verloren geht.

Ich packe also meine Tasche, fahre zeitig los – denn nichts ist ärgerlicher als gestresst am Kloster anzukommen – verbringe einige Zeit im Stau, komme aber pünktlich an und begegne bereits am Parkplatz den ersten lieben Menschen, die ich hier auch erwartet habe. Ich checke ein, freue mich über mein Zimmer und richte mich ein.

Das erste Herbstretreat in der Sonne, denke ich, und will das Fenster weit aufreissen. Geht nicht. Nur eine Seite. Hm.. Ich will aber, dass auch die zweite Seite sich öffnet, denn ich bekomme – vermeintlich – Platzangst in geschlossenen Räumen, wenn doch auch ein Fenster vorhanden wäre. Zehn Minuten lang versuche ich mein Glück. Es klappt einfach nicht. Gut, denke ich, sage ich Bescheid? Ob das etwas ändert? Ob es so wichtig ist? Will ich wirklich in ein anderes Zimmer? Nein. Es ist wie es ist. Ach ja..diese retreats führen mich doch immer wieder an meine eigenen Unzulänglichkeiten.
Ich gebe also auf, nicht ohne später festzustellen, dass auch sämtliche andere Fenster von aussen als nur halb geöffnet zu erkennen sind. Aha! Da hat sich der Bauherr also was bei gedacht. Da bin ich ja mal wieder erleichtert nicht benachteiligt worden zu sein. Grässlich, was man sich selbst an Gedanken manchmal zumutet.

Ich treffe auf die Gruppe, es gibt ein freudiges – noch sprechen wir ja – Wiedersehen und wir essen zu Abend. Um 20:15 beginnen wir mit einer kurzen Runde, wo jeder sich und sein Päckchen, das er mitgebracht hat vorstellen darf. Ich bringe diesmal nur mich mit. Kein Päckchen. Zumindest kein großes, schweres, wie vielleicht manch anderer. Maren, unsere MBSR Lehrerin, läutet die erste Meditation und somit das Schweigen für die nächsten vier Tage ein. Nicht allerdings, ohne vorher nochmal ein paar Hinweise zu geben, was man mal besser lässt während eines retreats. Das meiste davon kenne ich bereits und halte mich auch meist artig daran. Neu ist: Bitte begebe dich möglichst nicht weit weg von diesem Ort. Fahre nur Auto, wenn es notwendig ist.. So, gesagt, meditiert, dem Gesagten nachgehangen.

Denn, neu ist: Eigentlich hatte ich vor, während des retreats eine Nacht draussen zu übernachten. Nur mit Schlafsack. Dazu bedarf es aber einiger Logistik, eines Ortswechsels und dazu möglicherweise auch einer kurzen Autofahrt. Ich schiebe die Gedanken beiseite.
Morgen ist ja auch noch ein Tag an dem ich viel denken kann. Meditiere. Gehe schlafen. Ersteres klappt gut. Letzteres äusserst schlecht. Nun gut, erste Nacht.

Am nächsten Morgen habe ich die Wahl: Morgenmeditation vor dem Frühstück oder – wie es so meine eigene Tradition ist – draussen im Garten ganz allein die Ruhe vor der Ruhe genießen. Zu dieser Tradition gehört auch ein erster Kaffee, der aber nicht immer unbedingt vorhanden sein muss, da es doch sehr vom jeweiligen Koch abhängt, ob bereits eine halbe Stunde vor dem Frühstück gedeckt wird. Es kommt wie es kommen muss. Ich entscheide mich für den Garten. In der Küche gibt es bislang nur Tee. Und da ich ja nicht spreche, erwidere ich das freundliche Guten Morgen der Küchendame auch nur mit einem Lächeln und verschweige meinen Wunsch nach Kaffee, der sicherlich schon – nur für mich nicht sichtbar – hinter der Küchentüre parat steht. Hm, dann Tee? Ja, dann wohl Tee. Hab ich eine Wahl? Ich zögere noch ein wenig. Tue mich schwer Entscheidungen zu treffen (Tasse oder mein Thermobecher, Grüntee oder Schwarztee..?) und als ich mich schließlich entscheide und gerade den schwarzen Tee in meinen Thermobecher fließen lasse, schwingt die Küchendame mit den Kaffeekannen durch die Tür. Hmpf!

Und jetzt? Tee wird nicht schlecht, denke ich, und verschließe meinen Becher für später. Hole mir eine Tasse und freue mich über das leckere, koffeinhaltige Getränk, welches mir die Schuhe auszieht. Egal. Ich hab alles was ich brauche und genieße sichtlich zufrieden die Stille, die nun auch endlich in meinem Kopf eingekehrt ist.
Erfreulich stelle ich fest, dass auch andere Mitschweigende ihre Traditionen nicht brechen. Und so findet sich nach wenigen Minuten noch jemand im Garten ein um Gehmeditation zu praktizieren. Es ist ein schönes Gefühl, trotz Schweigens voneinander zu wissen und sich verbunden zu fühlen. Der Moment zaubert mir ein Lächeln auf mein Gesicht.

Der Tag gestaltet sich wie ich ihn kenne. Frühstück. Pause. Praxis. Pause. Praxis. Mittag. Pause…usw.. Während ich so meditiere, bastel ich insgeheim weiter an dem Projekt „Draussen übernachten“. So insgeheim, dass ich es quasi sogar vor mir selbst versuche geheim zu halten, da ich ja meditieren soll und nicht nachdenken und planen. Das tue ich ja das ganze restliche Jahr. So geht das also den ganzen Tag bis ich mich endlich entscheide, dass das retreat nicht der richtige Rahmen ist für mein Projekt, ich mir aber wenigstens den Wanderweg nicht entgehen lassen möchte, den ich mir ausgesucht hatte. Also verabrede ich mich mit mir selbst für den nächsten Nachmittag zum Wandern. Juchu. Wandertag! Ich fühle mich großartig und bin aufgeregt. Und wieder einmal stelle ich – überrascht – fest, dass es mein Leben wahnsinnig erleichtert, wenn ich nur entscheide. „Wenn du dir alle Türen immer offen hältst, musst du dich nicht wundern, wenn du irgendwann auf dem Flur campieren musst.!“ Ja, wie passend auch an dieser Stelle.

Es geht mir also gut und beschwingt beginne ich am Nachmittag noch ganz achtsam meine Dusche zu reparieren. Ich hab ja mein Outdoor-Material-Tütchen aus Island noch dabei, und da die Dusche nur in einer Hand haltender Weise nutzbar ist, bastel ich mir mt Reepschnur, Karabiner und Gummiband eine Halterung und bin ganz begeistert von meinem Ergebnis. Leider kann ich niemandem davon erzählen. Das stimmt mich ein wenig traurig. Vielleicht geht es ja auch anderen mit ihrer Dusche so? Und nicht nur ich habe eine defekte Dusche bekommen. Ich sehe schon, das retreat zeigt Wirkung. Ich denke nicht mehr, ich sei vielleicht die Einzige, die mal wieder eine kaputte Dusche hat, sondern würde am liebsten gleich bei allen anderen anklopfen um meine handwerklichen Fähigkeiten anzubieten. Nun gut. Geht nicht. Ist retreat.

Es gibt Abendessen. Ich freue mich auf den nächsten Tag und hoffe auf eine bessere Nacht. Vorher finde ich mich aber zur Abendmeditation ein. Genauer genommen zum ersten Teil dieser, denn nach dem Bodyscan oder dem achtsamen (und übrigens manchmal sehr unterhaltsam lustigen) Yoga bringen mich keine zehn Yogis mehr zurück aufs Kissen. Ich bin müde und mag schlafen gehen. Und da Maren uns auch immer so schön achtsam einlädt, zu bleiben oder zu gehen, nehme ich diese Einladung doch gerne an und schnuffel ins Bett.

Ich schlafe etwas besser, träume wild und wache am nächsten Morgen wieder mit der Entscheidung „Garten oder Morgenmeditation“ auf. Ich entscheide mich für die Meditation, denn Kaffee gibt es sowieso nicht. Schlurfe also nach meiner Morgendusche rüber, sehe schon die ersten Gestalten im Garten rumlungern und schweigen, und nehme den Weg durch das Café. Und dort befindet sich – oha! – plötzlich neben der beachtlichen Teeauswahl ein Glas mit Instant Kaffee. Und wieder stehe ich kurz davor im Flur zu campieren. Entscheide mich dann aber doch für den Kaffee und den Garten. Nur meine Gartenpartnerin im Geiste taucht diesmal nicht auf. Schade, denke ich. Aber habe wenigstens meinen Kaffee. So sitze ich also dort und sinniere über alles was mir begegnet. Und das ist eine ganze Menge, wenn man so meditiert.

Zu meiner großen Freude wurde am 1.Juni dort im Garten ein kleines Ahornbäumchen gepflanzt, welchem ich während des retreats häufig Gesellschaft leiste. Wobei ich im Laufe der Zeit nicht so recht weiß, wer hier eigentlich wem Gesellschaft leistet. Ich werde es wohl niemals erfahren, wünsche dem Bäumchen aber, dass es groß und kräftig wird. Während des Sitzens habe ich oft gedacht, dass wir uns genauso verwurzeln müssen um zu wachsen, wie das Bäumchen. Und mit Freude habe ich bemerkt, dass auch der kleine Baum ersteinmal von drei kleinen Pfählen gestützt wird, um heranzuwachsen und Wurzeln zu schlagen. Das beruhigt mich. Ich schweife ab, bin mal wieder äusserst metaphorisch unterwegs und beschließe, das bis auf Weiteres zu unterlassen.

Der Tag verläuft wie geplant. Maren bietet uns den Rahmen, wir füllen ihn mit uns und unserer Achtsamkeit. Mittagessen und anschließend in die Wanderklamotten gesprungen. Juchu! Entscheidung treffen. Hm. Nehm ich denn jetzt das Auto, obwohl ich 1. weiß, dass wir das besser mal lassen sollen, 2. mein Tank fast leer ist und 3. am heutigen Tag eine weitere Gruppe anreist, die sicherlich den Parkplatz lückenlos vervollständigen wird? Einen Abend zuvor war ich ein wenig spazieren und habe mich in die Richtung bewegt von der ich glaubte, dort sei der Wanderstartpunkt. Gefunden habe ich nichts. Aber stattdessen drei Rehe getroffen. Die konnten mir aber auch nicht weiterhelfen, die laufen ja auch einfach immer querfeldein. Nicht zuletzt deshalb wurde mir bereits auf der Hinfahrt mit dem Schild „Extrem starker Wildwechsel!“ gedroht. Hatte ich noch nie gesehen! Und fragte mich, was man denn dann wohl so anders machen sollte, wenn das da so steht? „Extreeeeeeem stark!“ Hm..Bremse ich dann auch extreeeeeem stark? Oder wie? Ich fühlte mich extreeeeem verunsichert. Habe aber kein Tier gesehen, welches wild gewechselt hat. Was mich sehr erfreut hat. Aber ich schweife ab.

Zurück zum Dilemma. Ich entscheide mich in letzter Sekunde für das Auto, was auch, wie sich dann herausstellte, eine gute Wahl war. Denn, der Startpunkt ist fußläufig nicht zu erreichen. Es sei denn man ist ein Reh. Nun gut. Diese wären mir an dieser Stelle auch lieber gewesen als zahlreiche Menschen, die dort den Parkplatz bevölkerten um den zauberhaften Traumpfad zu entdecken. „Ach, mit Menschen hatte ich jetzt so irgendwie gar nicht gerechnet…“ Ich überlege, ob es wirklich eine so gute Idee war, den „heiligen Ort“ zu verlassen und höre noch Marens Worte in mir nachklingen. Gut, nun bin ich hier und mache das beste draus. Da ist ja viel Wald und Gegend und genug Platz für alle Menschen, die hier so parken. Ich suche meinen Ausgangspunkt, finde eine großartige Tafel und orientiere mich. Los geht’s!

Ich starte unglücklicherweise zeitgleich mit einer Familiengruppe, bestehend aus mehreren Familien mit – logisch – mehreren Kindern. An sich völlig okay und ich habe natürlich – unter gewöhnlichen Umständen – nichts gegen Familien und Kinder. Aber heute dann irgendwie doch. Beruflich bedingt marschiere ich manchmal mit einer Horde Kinder oder Jugendlicher durch den Wald und bin die meiste Zeit damit beschäftigt für Ruhe und Achtsamkeit zu sorgen und sie anzuhalten, nicht bei jedem Frosch oder jeder Schnecke gleich wild loszuqietschen. Ich möchte das grad nicht. Die Kinder sind – wie man so schön sagt – lebhaft, und wir wandern alle so munter drauf los. Ich überlege was taktisch klüger ist: Überholen oder einfach zurückfallen lassen. Ich entscheide mich für überholen, da ich vermute, dass die Kids nicht 10 Kilometer so schnell unterwegs sein werden wie gerade.

Mein Weg biegt nach links ab, ich durchquere eine wunderschöne Heide und genieße Ausblick und fehlende Menschen. Hach, gute Entscheidung. Die sind woanders lang. Irgendwann geht es den Berg wieder hinab und siehe da: Da sind sie ja wieder! Ja juchu! Die Familien haben einfach den – weniger schönen – Weg geradeaus genommen. Quasi eine Abkürzung. Ich fühl mich irgendwie desillusioniert und entscheide mich nun doch dazu, mich zurückfallen zu lassen…Zeit für eine erste Pause. Jacke rausholen, es geht durch den Wald, da ist es etwas schattiger. Trinken. Weiter.

An der nächsten Kurve werde ich Zeugin eines blitzintensiven Photoshootings vor Waldkulisse. Familien stehen auf dem Weg rum. Irgendwer macht fleißig Bilder mit Kindern die Äste in der Hand halten. Ja, sehr hübsch. Ich quere die Gruppe und darf dem ersten Satz, den dieser Wald heute für mich bereit hält lauschen: „Braucht noch jemand von euch Feuchttüüüüüüücher?“ Nee danke, ich grad nicht. Denke ich, und laufe schnurstracks weiter. Mit Achtsamkeit hat das hier nix zu tun, denke ich. Und muss an Hape Kerkelings Pilgerreise denken. Vermutlich, wenn ich irgendwann einmal pilgern sollte, würde ich vor den Menschen wegrennen. Oder aber ein schön-komisches Reisebuch darüber schreiben. Ich tippe auf letzteres.

Ich treffe auf eine Schafherde mit Schäfer, der gerade einem Mutterschaf beibringt, sein Lämmchen zu suchen. Dazu packt er das kleine schwarze Lämmchen und täuscht vor, es von der Weide zu holen. Mutterlamm mäht. Lämmchen mäht. Schäfer ist glücklich: „Geht doch!“ und ich freue mich doch sehr, dieser Szene beiwohnen zu dürfen. Eine Kurve weiter treffe ich auf ein älteres Ehepaar. Sie läuft ein paar Schritte hinter ihm. Ich überhole. Auf Höhe des älteren Herrn sagt er zu mir, ohne mich anzuschauen: “ Guck mal, der Baum lässt sich n Pimmel wachsen..(hihi)!“ Ich muss schmunzeln und im gleichen Moment bemerkt er peinlich berührt, dass ich wohl gar nicht seine Gattin bin. Ich winke nur ab, schweige und ziehe schmunzelnd von dannen. Nicht ohne ihn nochmal das gleiche wiederholen zu hören. Diesmal allerdings in Richtung Gattin und mit dem Nachsatz, dass er das dann wohl gerade eben zu mir gesagt habe.

So wandere ich also und frage mich, ob das denn jetzt so weitergeht auf meinem Weg.
Sieben Kilometer habe ich etwa noch vor mir. Da kann ja ne Menge passieren. Ich muss daran denken, dass mal eine kluge Frau zu mir sagte „Wenn Sie sich nicht bewegen, dann bewegen sich die Anderen“ ich übersetze das fheute ür mich in „Wenn Du nicht sprichst, dann sprechen die Anderen.“
Es passiert aber nichts mehr dergleichen. Mehr als ein „Tag“ bringe ich nicht über die Lippen. Und auch nur, wenn jemand zuerst grüßt. Nach 10.2 km, unzähligen Kiefern, Bächen, Hochwald, Feldern, Kühen, Schafen und was die Gegend noch so hergibt, komme ich wieder am Parkplatz an. Dass mir bei KM 5.1 noch eine Erdnuss in die falsche Röhre geraten ist – immerhin mit viel Gegend und Ausblick – das sei noch erwähnt. Und niemand hätte gewusst wo ich stecke..
Bei KM 5.1, mitten in der „Gegend“.

Vielleicht die Strafe für meinen fast gestohlenen Apfel vom Baum. Ich ärgerte mich nämlich, dass es heute zum Mittag mal keinen Apfel gab. Dann komme ich freudig überrascht an einem Apfelbaum vorbei, der aber – mitten im Nichts – eingezäunt war. Ja, da war es also wieder. Das Dilemma. Ich entschied mich gegen den Apfel, um dann festzustellen, dass etwa fünf Meter weiter ein weiterer Apfelbaum stand, der nicht (!) eingezäunt war. Ach, wie einfach das Leben doch manchmal sein kann. Und gleischsam wie ironisch. Denn die Äpfel waren alle überreif und nicht mehr so wirklich essbar.

Aber wir sind ja bereits zurück am Parkplatz. Von wo aus es zurück in heimische Gefilde geht. Zurück zur Gruppe. Ein wenig Heimweh hab ich ja schon nach so viel Aufregung. Was die wohl grad machen? Ich fahre auf den Parkplatz und komme nicht sehr weit, da doch tatsächlich die zweite Gruppe angereist ist und mit ihren Autos alles zugeparkt hat. Ich sehe, dass meine Gruppe im Garten gehmeditiert. Ach wie schön. Und was mache ich jetzt? So mit meinem Auto? Vor zurück. Hm, überlegen..Kann ich wen einparken von dem ich denke, er sei von uns? Und wenn er mal weg muss? Und mich anspricht!? Ich überlege kurz auswärts zu parken, entscheide mich dann aber doch dafür, einen Zugang zum Parkplatz zu versperren, der auch von der anderen Seite erreichbar ist. Stiefel hoch ins Büro. Breche mein Schweigen. Erkläre kurz meine missliche Parkplatzlage und erhalte die Erlaubnis dort zu stehen. Lege noch schnell einen Zettel ins Auto, naja ein Tempo, mit „Danke, darf hier stehen“, male noch ein Herz drunter und gehe aufs Zimmer.
Ich hatte mich eigentlich für Duschen entschieden und dazu, erst nach dem Abendbrot wieder „mitzumachen“. Ist weniger stressig. Und da ich den Weg ohnehin schon in nicht achtsamen 2:40h gelaufen bin, inkl. Pause, hechle ich grad förmlich nach Achtsamkeit. Oben angekommen entscheide ich mich anders. Gehe beschwingt und umgezogen runter in den Garten zu den Anderen. Und stelle fest: Niemand mehr da! Hmpf! Ah, da sitzt noch ein einzelner an der Hecke und meditiert. Dann sind die Anderen sicherlich oben und tun selbiges. Ich bin grad ja sehr schlecht ausgestattet, da Kissen und Decke oben im Raum sind. Also nehme ich mir einen Stuhl, setze mich neben die Stupa und praktiziere. Und praktiziere…

Neben der Tatsache, dass sich offensichtlich ganz Langenfeld an diesem Wochenende gedacht hat „Heute machen wir mal ordentlich Gartenarbeit!“, scheint der Nachbar hinter der Hecke zu meiner rechten wohl einen Teich zu besitzen. Und darin hat er wohl Fische. Und bekommt Besuch. Unüberhörbar von einer Mutter mit ihrer Tochter. Letztere hätte wohl gern die Fische jetzt auch mal gesehen. Aber „…die hab isch heut morgähn doch schon jefüttrt!“ Ja, das ist aber schaaaaade…Ja, schaaade ist das..Mensch.. Gut, denke ich so meditierender Weise. Schade ist das. Ham wer jetz festjestellt. Dafür sind aber die Fische satt und müssen sich nicht mit dem quengelnden Mädchen rumschlagen. Ich meditiere also weiter, während nebendran fröhlich weiter geplaudert wird. Natürlich nicht ohne immerfort zu erwähnen „Näh Du…hänn isch die ma nich schon jefüttert heute…schaaaade…!“ Gut, das haben wir jetzt alle wirklich verstanden, dass das schade ist. Aber der Nachbar wird einfach nicht müde zu verkünden wie schade das is, dass er die ja getz schon jefüttrt han….Ach ja. Ich höre vor meinem geistigen Ohr Marens Stimme flöten „Und wenn Du merkst, dass Dein Geist im Fischteich schwimmt…!“
Der Plausch am Fischteich wird dann endlich beendet mit der Einladung, doch morgen einfach nochmal früher vorbeizukommen, denn …“dann waat isch wohl wat mitn Füttrn, dann könnta kuckn!“ Puh, ist das jetzt ne Drohung oder ein Versprechen oder was? Egal, ich meditiere. Und beneide meinen Kollegen im Geiste, der an der anderen Hecke rumhockt. Wobei, eigentlich hat er grad echt ne Menge verpasst. Und das, obwohl ich mindestens die Hälfte von dieser seltsamen Sprache hier überhaupt nicht verstehe…

Irgendwann schlägt die Kirchturmuhr. Hm, Wechsel kann ja noch nicht sein, denn heute meditieren wir ja länger als eine halbe Stunde. Und meinen Heckennachbarn seh ich auch nicht. Der sitzt also wohl noch. Also praktiziere ich weiter… Irgendwann öffne ich die Augen für einen kurzen Moment und sehe plötzlich wie jemand ganz langsam um die Stupal schleicht. Und um mich herum der Rest der Gruppe. Oha! Gehmeditation. Einsatz verpasst. Völlig! Ich muss doch sehr über mich selbst schmunzeln. Egal, hinfallen, aufstehen, Krone richten. Ich bleibe sitzen und tue so, als sei alles so geplant. Wir sprechen ja eh nicht. Da wird schon niemand fragen.. Also sitze ich eine sehr energetische ganze Stunde und bin sichtlich zufrieden mit meinem Wandertag und meiner anschließenden Energie, die ich für die Praxis nutzen kann.

Aber noch nicht genug dieses wundervollen Tages. Beim Abendessen stelle ich erstaunt fest: Ja, es gibt doch tatsächlich Menschen, die zu den anderen Autos gehören. Verrückt! Und rücksichtsvoll sind sie. Wohlgemerkt: Dort wo sie sollen, denn das Schild an der Tür zur Caféteria verkündet ganz zaghaft: „BITTE RUHE! SCHWEIGEKLAUSUR! DANKE!“ Ja, wie soll man da auch der freundlichen Aufforderung nicht nachkommen. Ich verkneife mir, hinter das Wort Ruhe noch das Wörtchen „bewahren“ zu schreiben und bin sehr freundlich gestimmt als ich drinnen feststelle, dass die Gruppe wirklich achtsam und leise ist.
So vergeht der Abend. Ich spare mir erneut die Abendmeditation, da mich der Wandertag doch sehr müde gemacht hat. Schlurfe nach einem gemütlichen Tee im Garten in mein Zimmer und mag auch ganz bald schlafen. Auf dem Weg ins Bett blicke ich aus dem Fenster. Es ist dunkel. Aber da steht doch tatsächlich kaum wahrnehmbar in der Dunkelheit ein Auto mitten auf dem Parkplatz und parkt vier Autos ein! „Vermeintlich“, würde ich rückblickend sagen. Aber das ist erstmal egal. ICH fühle mich eingeparkt.
Was, wenn ich jetzt grad spontan weg wollen würde? Dieser Fall wird nicht eintreten. Rational weiß ich das. Aber bei meiner eigenen Unabhängigkeit, da hört der Spaß schnell auf. Auch wenn ich gar nicht weg will. Und schon gar nicht mehr weit kann, mit meinem Tank. Einatmen. Ausatmen. „Soooo, das hat er bestimmt nicht böse gemeint. Der tut nichts, der will nur parken. Wo sollt er auch anders hin…“
Ich entspanne mich, muss über mich selbst schmunzeln. Mal wieder. Ertappt! Ich schlafe hervorragend in dieser Nacht, träume nicht von Autos und muss auch nicht spontan weg. Am nächsten Morgen sehe ich, dass sich ein zweites Auto dazugesellt hat. „Der hat aber Nerven“, denke ich. Aber jetzt ist auch egal. Mein Yogitee gibt mir den Tipp: Beginne, wenn Du dran bist. Das nimmt den Druck.“ Danke Yogitee. Wenn ich Dich nicht hätte. Dann hätt ich Kaffee.. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, denn der ominöse Instantkaffe tauchte immer mal auf und wieder ab..

An diesem Morgen bin ich noch so beschwingt vom gestrigen Tag, dass ich sogar an der Morgenmeditation teilnehme. Anschließend geht’s runter zum Frühstück. Die andere Gruppe ist auch schon dort. Andächtiges Schweigen. Die Gruppe sprechsingt ein Tischgebet. Es hört sich, vor allem dank des Lamas, großartig an. Kein Chor könnte das schöner sprechen. Danach, andächtige Stille. Ich stehe mit meinem Schüsselchen in der Buffetschlange und denke mir, wenn ich jetzt so in diese andächtige Stille reinrufen würde: „SO, UND WER HAT DA EIGENTLICH SEIN AUTO SO BESCHISSEN HINGESTELLT, DASS ICH EINGEPARKT BIN!?“ Hach, das wäre so witzig. Ich entscheide mich aber für Schweigen. Weiterhin. Macht sicher alles einfacher. Aber der bloße Gedanke, das grad zu tun, der erheitert mich gerade wirklich ungemein.
Ich stehe also schmunzelnd in der Schlange. Und schweige. Ach, jedes retreat hat so seine Momente..

Bis hierher kann ich ziemlich sicher sagen, dass die Chronologie so stimmig ist. Danach verschwimmen die Bilder zu einem ziemlich wirren Potpurri aus Rasenmähern, Blaskapellen, Meditationen, Handtuchreservierungen und alles was das menschliche Eifelherz so zu bieten hat.
Man möge mir verzeihen, aber ich beschloss erst am Samstag diese Zeilen hier zu Papier zu bringen. Und da weder Lesen noch Schreiben geboten ist im retreat, habe ich mich auch gegen kleine Notizen entschieden.

Apropos Lesen. Ich möchte euch nicht die Zeitschrift vorenthalten, die es bis ins Kamalshila Institut geschafft hat: Die Happinez. Jawohl. Da lag sie dann bei meiner Ankunft. In dreifacher Ausführung. „Sicher zum Ausleihen“, denke ich. Titel: Mut. Ja mal schauen, wer den Mut hat, die zu lesen, obwohl wir ja nicht sollten..
Immer mal verschwand also eines der Magazine und tauchte wieder auf. Wie der ominöse Instant Kaffee. Die Fluktuation erhöhte sich deutlich mit Eintreffen der zweiten Gruppe. Und irgendwann. Ja irgendwann..als ich nen richtig guten Tag hatte. Da hab ich mir heimlich auch mal die Happinez mitgenommen. Und, was soll ich sagen. Nachdem ich dann ja also bereits mehrere Tage sprachlos war. Und auch so völlig textlos unterwegs, was sehr ungewöhnlich für mich ist, hat es diese Zeitschrift geschafft mich noch sprachloser zu machen. Als ich zwei drei Seiten geblättert hatte, stolperte ich über eine als Artikel getarnte Anzeige, in der langatmig und durchschaubar erklärt wurde, warum gerade Eva Longoria so toll toll toll Werbung für Sheba machen könne. Buäh! Ich mag Eva, ich mag Katzen. Aber das war meinem „open mind“ gerade doch etwas zu plump. Ich schlug die Zeitschrift wieder zu und verbuchte den Leseversuch als Erfahrungswert. Oben rechts auf dem Cover stand „mindstyle Magazin“. Aha!

Ein Interview hab ich übrigens tatsächlich gelesen. Ich weiß nicht mehr mit wem, aber der Inhalt war interessant. Und an einer Stelle ging es um den Song „Let it be!“, der ja auch eine sehr achtsame Bedeutung haben kann, im Sinne von Loslassen. Ich brachte die Zeitschrift unter Einsatz meines Lebens und mit viel Herzklopfen an seinen Ort zurück. Zwischenzeitlich flötete ich allerdings immer mal „Let it be..!“ und dachte so bei mir, dass jeder der sich auch mit dem Mindstylemagazin befasst hat, dieses untrügliche Zeichen deuten könne. Was natürlich Blödsinn ist. Aber in der Liebe und im retreat ist alles möglich..

Der Samstag stand im Übrigen auch unter dem Zeichen „Heute wird übrigens der intensivste Tag! Sorgt für euch!“ Na hervorragend..ich überlege, ob es jetzt wohl gut oder schlecht ist, dass ich das schon vorher weiß. Ich entscheide mich für gut und sehe es als Herausforderung.
Der Tag beginnt schon tiefenentspannt mit Gartentradition und Kaffee. Um Punkt Zehn liege ich, gemeinsam mit zwei anderen, im Meditationsraum und warte. Und warte… und irgendwann wundere ich mich, da niemand anders da ist. Stehe also auf, da ich schon ahne was vor sich geht. Als Maren hereinkommt und uns mitteilt, dass wir mit Gehen im Garten starten. Ah so! Gut. Raus geht’s. Schuhe aus und Barfuss durch den Garten. Nochmal schön durch irgendwas fieses matschiges laufen, was mir zwischen den Zehen hängenbleibt und ich unter Pilz verbuche. „Haha, Fußpilz..“ Mein Kopf spielt mir mal wieder Streiche um mich bei Laune zu halten. Ich lächle auch ständig in dem retreat um meinen Synapsen ein Schnippchen zu schlagen. Damit sie Endorphine ausschütten, weil es mir ja offensichtlich gut geht. Geht es mir aber auch wirklich. Abgesehen davon, dass ich mich fühle wie „meine Hausaufgaben nicht gemacht“, da ja nur die drei die nicht zur Morgenmeditation da waren, nicht von dem konspirativen Treffen im Garten wussten. Dennoch. Es läuft bestens.

Schön anzuschauen ist sicherlich der Beginn einer solchen Gehmeditation, da sich die Gruppe immer vorher schön brav im Garten verteilt und auf den Kirchengong bzw. auf das zarte „Maren-Läuten“ wartet. Dann erheben sich alle von ihren Plätzen und laufen los. Es hat ein wenig etwas von einem „Gehmeditations-Flashmob“ und ich stelle mir vor, wie wir das zum Beispiel mal in der vollen Kölner Innenstadt versuchen würden. Von aussen seht das jedenfalls sicherlich ziemlich seltsam aus und die leider sehr gestutzte Hecke gegenüber lädt doch zahlreiche Zuschauer ein, die hier vorübergehen.
So können aber auch wir eine Menge sehen und an einem dieser Nachmittage, als ich an einem Baum sitzenderweise meditierte und mal wieder der Rasenmäherkrieg ausbrach, fuhr an besagter Hecke plötzlich ein netter Herr auf seinem Sitzrasenmäher (Der Rasenmäher ist der Ferrari des kleinen Mannes) vorbei und lachte sich – so habe ich ihm unterstellt – ins Fäustchen. Er sah ein wenig so aus als wolle er sagen, dass er leider keinen weiteren Grashalm zum Mähen mehr gefunden habe. So für die Geräuschkulisse. Damit wir mit Störungen umgehen lernen..

Aber natürlich ist auch das noch nicht das Ende. Der Samstag hat es wirklich in sich. Wir sitzen im Garten. Meditieren. Ich schaue mich um und entwickel eine neue Geschäftsidee: Meditationszwerge! Es sieht nämlich schon urkomisch aus, wie alle da so in unterschiedlichen Positionen quer durch den Garten verteilt sind. Und das eine Stunde lang. Für Vorbeilaufende müssen wir wirklich aussehen wir niedlich und liebevoll platzierte Zwerge. Stopp! Hirn anhalten..was macht es sich aber auch immer selbständig.

Dann kommt es an diesem Tag zum Äußersten. Übrig im Garten bleiben meine Morgens-Mit-Meditierende und ich. Wir sitzen also beide dort. Es wird schon recht kühl. Alle anderen haben sich für Praxis drinnen entschieden. Ich schließe die Augen. Eine Stunde Ruhe, Stille. Plötzlich vernehme ich Stimmen. Ich schaue nicht hin, kann meine Ohren aber ja leider nicht verschließen (was ich mir übrigens sehr häufig wünsche!). Schritte kommen näher. Eine Frauenstimme:“ Dat is dä buddistische Täääämpl“ eine andere: „Nä, da gehnwa abba nisch rein!“ „Näää, das machen wa nisch. Da weiss man ja auch nisch, ob man da de Schuuuuuuuuhe ausziehn musss“ „Näää, das machen wa nisch!“ Puh, lerne mit Störungen umzugehen. Plötzlich wird es leise. Die Gruppe scheint uns, oder zumindest mich, denn mein Pendant sitzt quasi IN der Hecke, entdeckt zu haben. Ich spähe ganz kurz aus den Augenwinkeln rüber zur Stupa. Da schleicht jemand rum. Aha. Okay. Bloß keine weitere Aufmerksamkeit erwecken. Sonst fragen die mich noch irgendwas. Zum Beispiel „ob man da de Schuuuuuuuuuuhe wohl drin ausziehn muss?“. Irgendwann sind sie wieder verschwunden. Ich bin heilfroh. Und friere so langsam. Und wie ich da so sitze denke ich bei mir, dass die Damen jetzt wohl ein sehr komisches Bild von Buddhisten haben müssen:

Buddhist, der [sanskr. sanskritisch, der Erleuchtete]
Meditiert häufig. Trägt gern Outdoorkleidung.
Insbesondere meditiert er gern auf weißen Plastikgartenstühlen mit
Blümchenpolsterauflage. Seine Füße, und nicht etwa wie man annehmen würde seinen
Hintern, platziert er sorgfältig auf einem Meditationskissen. Dieses wiederum wird, zum Schutz gegen Nässe und Dreck, auf einer Nike Yogamatte positioniert.

Ich freue mich sehr, Teil dieser Öffentlichkeitskampagne sein zu dürfen.

Öffentlichkeit ist an diesem Wochenende ohnehin unser roter Faden, denn wie schon gesagt, ist die Hecke halbiert worden und zudem auch noch die ganze Nachbarschaft auf den Beinen. Als ich während einer der sehr langatmigen Sitzmeditationen im Garten die Augen öffne, sehe ich immer wieder Menschen hinter meinem Gegenüber herlaufen und rüberschauen. Irgendwann bewegt sich auch die Gardine gegenüber verdächtig.
Als wir die Meditation beenden, schaue ich nach links, denn irgendwie braut sich dort etwas zusammen. Und siehe da: Da steht doch tatsächlich ne ganze Blaskapelle und wartet auf den Start. Haben die jetzt wohl extra auf uns gewartet? Bis wir durch sind? Also mit dem Sitzen?.. Wie dem auch sei. Es wechselt lediglich die Art unserer Meditation und während wir wieder so durch den Garten wandeln, klingt es nun aus dem anderen Raum (genau, dort wo die andere Gruppe irgendein tibetisches Seminar mit dem Lama veranstaltet), als hätte die andere Gruppe nun mit der Blaskapelle fusioniert. Wow. Aus all diesen Tönen und Gesprächen an diesem Samstag ein Mixtape bitte!

An dieser Stelle sei gesagt, dass zwar die Meditation im Garten, die an jenem Tag ja ganz wunderbar ausgeprägt ist, großartig ist, aber die Sonne auch so ihre Tücken hat. Eine besondere Herausforderung stellt nämlich die Platzwahl dar, da ich im günstigsten Fall bereits VOR der Gehmeditation meinen Sitzplatz so einrichte, dass ich wenigstens im Halbschatten sitze. Bedeutet, ich antizipiere etwa 1.5 Stunden VOR der Sitzmeditation meinen Schattenplatz. Und das ist nun wirklich, auch wenn ich mich als Umweltpädagogin viel mit den natürlichen Gegebenheiten um mich herum befasse, keine einfache Aufgabe. Denn: Im Herbst tut sich da einiges am Himmelszelt. Ich beobachte zum Beispiel, dass der Mond sich abends zur gleichen Zeit nach nur zwei Tagen überhaupt nicht mehr an der gleichen Stelle befindet. Auf nichts ist heutzutage mehr Verlass. So auch mit der Sonne. Einmal richte ich mir ein wunderschönes Plätzchen ganz optimistisch in der Sonne ein. Eine halbe Stunde halte ich tapfer aus. Dann bemerke ich, wie sich mein Geist plötzlich ausgiebig mit Sonnencreme, Sonnenstich und Sonnenbrand auseinandersetzt. Und mit dem Gedanken, wie störend es jetzt wohl wäre, wenn ich mittendrin nochmal umziehe. Während ja alle anderen sitzen. Der kleine Kampf zwischen der Sonne und meinem Geist ist eröffnet. Ich entscheide mich (Oha!) jedoch wirklich fürs Umziehen und bin nun heilfroh, im Schatten eines Baumes zu meditieren.
Da mir das eine Lehre war, plane ich also anschließend etwas weitsichtiger. Und stelle fest: Na, ein bisschen hat das ja jetzt schon auch was von „Handtuch auslegen“ um nen Platz im Garten zu reservieren. So viel Schatten bietet der nämlich auch gar nicht. Resigniert ziehe ich also auch einmal meinen hübsch eingerichteten Platz an einen anderen um, weil sich jemand in meinen Nachbarschatten platziert hat. Wo ich doch eigentlich geplant hatte – das müsste man doch wissen – die paar Zentimeter von meinem Sonnenplatz nach rechts in den Schatten umzuziehen. Zerknirscht beobachte ich also den Einzug und ziehe um. „Mitgefühl“, denke ich. „Hat er nicht böse gemeint. Konnte er ja nicht wissen..“Ihr wisst schon. Und was soll ich sagen? Nach meinem ungewollten Umzug hatte ich den schönsten Platz, den ich mir denken konnte. Hach! Dankeschön!

Zu guter letzt sei natürlich noch die Kirchenuhr erwähnt. Die uns ja immer sehr freundlich aber bestimmt den Takt vorgibt. Nun gut, manchmal leidet man unter dem in Langenfeld bekannten „Phantomläuten“. Das bedeutet man hört etwas, was die Maren aber nicht hört. Kann aber auch nix dran ändern, weil man ja nicht spricht. Oder aber man bekommt zu Beginn des Nachmittags die Ansage, wie in etwa der Ablauf der Praxis sein wird, und dass es in jedem Fall sehr passend mit der Kirchturmuhr wechseln wird. Hach wie schön. Alles im Einklang. So schön systemisch.
Und dann kommt es wie es kommen muss. Es ist Blaskapellen-, Wander-, Gartenarbeits-, Alleaufdenbeinen-Tag und die Kirchturmuhr spielt uns den kleinen Revoluzzer von nebenan, indem sie wild durcheinander ohne überhaupt jegliches Taktgefühl oder eine Spur von logischen Abständen wild umherbimmelt. Na schönen Dank. Maren. In der Pädagogik nennt man das paradoxe Intervention. Von beiden. Ich versuche also gnädig zu sein und denke nur kurz „ Sei mit dem was ist…“, bevor ich mich wieder meinem Geist widme. Der sich übrigens, so wissen wir nach diesem retreat, dort befindet wo mein Hintern auf dem Kissen sitzt. Herzlichen Dank!

Prolog

Dieser Text ist eine Hommage an das Schweigeretreat und ich möchte im Besonderen zeigen, dass es sich lohnt humorvoll mit Widrigkeiten und sich selbst, was wiederum auch manchmal eine Widrigkeit sein kann, umzugehen. „Jedem retreat wohnt ein Zauber inne“. Das war mein fünftes oder sechstes retreat und ich werde es wieder tun. Mir zu Liebe. Ich würde wohl nicht mehr mittendrin zum Wandern rausfahren, wenngleich dieser Tag mir viel Energie gespendet hat. Viele viele kleine Momente kann ich gar nicht mehr wiedergeben. Diese hier sind die, welche mir im Gedächtnis geblieben sind. So ist dieser kleine, etwas andere Reisebericht an einem Samstag im Oktober, an einem Baum im Garten des Kamalashila Institut in der Eifel in meinem Kopf entstanden. Ich wünsche mir, dass niemand mehr glaubt, dass ein Schweigeretreat jemals langweilig sein könnte. Du bringst dich ja selbst mit. Und wenn du deinen Humor mit eingepackt hast, dann kannst du ne ganze Menge erleben und nicht zuletzt auch über dich lernen.

Tanja Ney
im Oktober 2014

Von tanja ney

0 Gedanken zu „Was du in einem Schweigeretreat lernen kannst. Über dich!“
  1. Vielen Dank für Deinen Text, der mich sofort glauben lässt, dass so ein Schweigeretreat alles andere als langweilig ist. 🙂 Du beschreibst sehr anschaulich und humorvoll, dass man während dieser Zeit seine oftmals abstrusen Gedanken erst so richtig wahrnimmt, die sonst durch allerlei äußere Ablenkung schnell wieder vergessen bzw. gar nicht bemerkt worden wären.
    Liebe Grüße.

    1. Ich danke dir und freue mich, dass der Text genau das rüberbringt, was ich damit erreichen wollte. Ich werde nächste Woche wieder dort sein. mal sehen was (in meinem Kopf) wieder so alles passiert 😉 Liebe Grüße!

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