Hi, Ich bin Tanja!

Ich freue mich, dass du hier bist! Ich schreibe hier über das Leben und teile meine Gedanken und Insights meiner ganz eigenen Reise als Coach, Sportlerin und Reisende, die ihre Heimat verlassen hat. Das ist kein Reiseblog, aber ich lade dich ein, mit mir auf eine ganz persönliche Reise zu gehen. Viel Spaß dabei!

Diese Themen findest du auf meinem Blog

Tanja ney Mental Coach Sport Mentoring Köln Torsten Weber Ultracycling

„Und, was machst du so am Wochenende?“ „Ach, ich begleite Torsten Weber beim Race across Germany.“ „Das kenn ich nicht..“ „Das ist ein Rennen quer durch Deutschland. 780km und 7800hm.“ „In wieviel Tagen?“ „Ich versteh die Frage nicht?“


So oder so ähnlich dürften sich einige Gespräche im Vorfeld abgespielt haben. Wer sich nicht mit Ultradistanzen beschäftigt, ist schnell raus. Verständlich, wenn ihr mich fragt. So freue ich mich umso mehr, dass ich als Teil der Crew von Torsten Weber mit auf diese Tour gehen darf. Als Sportmentaltrainerin bin ich schon seit letztem Jahr mit an Bord und coache Crew und Fahrer für das Race around Austria im August diesen Jahres. Das Race across Germany begleite ich ebenso als Mentalcoach, habe aber unterwegs selbstverständlich noch einige andere Aufgaben. Aber dazu später mehr.

Los gehts in Euskirchen, wo wir das noch fehlende Material und zum vorerst letzten mal für die nächsten 30 Stunden auch Torsten in den Van verladen. Wir, das ist die Crew: Chris, Rolf (Torstens Vater) und Ich. Wir starten gemeinsam Richtung Aachen, wo Torsten um 8:30 endlich starten darf.

In der Luft liegt diese unverkennbare Raceday-Athmosphäre. Eine explosive Mischung aus Anspannung, Leidenschaft, Müdigkeit, Motivation, Abenteuer.

Im Mentaltraining sage ich immer: Kümmere dich nicht um die letzte Nacht vor dem Wettkampf. Sieh einfach zu, dass die vorletzte eine gute wird. Die letzte wirst du eh nicht mehr optimal für dich nutzen können. So war es wohl auch bei uns allen. Und vielleicht bei Torsten am meisten, wenn ich mir seine Instastory so angeschaut habe, obwohl er eigentlich längst hatte schlafen wollen.

So landen wir also irgendwann in Aachen. Chris kann den Van nicht ganz ranfahren an den Start, da dieser etwas ungünstig, wenn auch landschaftlich sehr schön, liegt vor dem Rathaus. On Top versperrt uns ein LKW den Weg. Drehen, wenden, zurücksetzen, wenden, Einbahnstraße… „Ach weißt du was Torsten, wir schmeissen dich jetzt einfach schonmal raus und kommen dann nach, wenn das Auto irgendwo steht.“ Die Spannung ist spürbar und auch ich weiß gerade nicht, ob ich nun gern in Torstens Haut stecken möchte oder nicht. Raceday-Mood.

Final sind Torsten, Rolf und ich am Start. Chris muss das Auto bewachen, weil wir in etwa ausgestattet sein müssten wie das A-Team. Wäre endlos blöd, wenn uns noch vor Start eines der abgezählten Trinkfläschchen abhanden kommen würde. Oder ein ganzes Rennrad.

Die Fahrer des Rennens werden nach und nach einzeln losgeschickt. Auf dem Platz ist nur sehr wenig los an diesem Morgen. Verglichen mit anderen Radevents sind Ultraveranstaltungen meist eher spärlich besucht. Der Gänsehautstimmung tut dies keinen Abbruch.

Ich nutze die Gelegenheit nochmal kurz mit Torsten zu sprechen und frage ihn, worauf er sich am meisten freut. Als Mentalcoach ist mir wichtig, den Fokus auf die positiven Dinge zu legen. Lang genug wird die Strecke und es wird, das wissen wir alle, einige Höhen und Tiefen geben.

„If you want to quit, ask yourself why you started!“

Torsten freut sich auf die Teamarbeit. Das ganze als Team zu schaffen. Und darauf, dass er gleich einfach nur das tun darf und muss, was er am besten kann und was er monatelang trainiert hat. Endlich loslegen dürfen. „Schon komisch, da trainierst du monatelang für genau diesen Moment. Und dann ist er plötzlich da.“ Ich fühle mich immer am Start, als ob ich endlich „von der Leine gelassen“ werde. Wenn ein Sportler trainiert und später endlich dort steht, dann hat er alles, was er braucht an Bord. Alles was trainiert wurde ist da. Mehr geht nicht und ab diesem Moment ist nichts mehr veränder- oder verbesserbar. Ab dem Startschuss geht es nur noch darum, das abzurufen, was ich all die Monate vorher trainiert habe. Nicht mehr und nicht weniger.

Ähnliches denke ich mir, als Dieter Göpfert, der Veranstalter dann den Countdown runterzählt.

Nur zehn Sekunden bis zum Start. Zehn Sekunden, bis sich unser Fahrer dann aufmacht 780 km durch die Republik zu fahren.

27 Stunden und 6 Minuten. Wie wir später wissen werden. Auch als Crew ist es ein starkes Gefühl, ihn davon fahren zu sehen. Ich begleite das Rennen von Beginn an auch auf den Social Media Kanälen und kann sehen, dass Chris vom Auto aus online zusieht. Teamwork, schon jetzt. Dank neuer Medien.

Wir sprinten zum Auto und machen uns auf den Weg raus aus Aachen. Der erste Teil ist immer solo zu fahren, die Begleitfahrzeuge stoßen erst ein Stückchen später auf ihre Fahrer. Als wir ihn irgendwann entdecken und sich der Funk mit einem Beepbeep verbindet und damit signalisiert wir sind wieder connected, hören wir uns das erste Mal sagen:

„Torsten, wir sind wieder hinter dir!“

Für alle ein gutes Gefühl, das wir in den nächsten Stunden noch schmerzlich missen werden. Denn wir werden Torsten aufgrund eines Staus in Bonn aus den Augen und aus dem Funk verlieren und erst nach sage und schreibe 4 Stunden wieder treffen.

Torsten hat darüber schon aus seiner Sicht geschrieben. Aus Crewsicht fühlt sich das wie folgt an:

„VERDAMMT! WAS MACHEN WIR JETZT UND WAS DENKT TORSTEN WAS WIR WOHL MACHEN!?“

Stress entsteht, wenn du eine Situation ändern willst, diese aber nicht in der Hand hast. Stau eben. der Fahrer weg, der Bus inmitten von zig Autos im frühmorgendlichen Stadtverkehr. Immerhin, wir sind nicht das einzige Begleitfahrzeug, das dort blöd herumsteht. Vor allen Dingen denken wir: Was denkt Torsten!? Ein mentaler Fallstrick, den wir auch aus ganz alltäglichen Situationen, jenseits von Ultramarathons, kennen. Wie oft rätseln wir darüber, was in den Köpfen anderer vorgeht. Energieverschwendung, Ändern können wir es ohnehin nicht. Und mit Blick auf noch weitere, folgende 23 Stunden gilt es kühlen Kopf zu bewahren. Denn: Es ist jetzt eben so wie es ist. Und unser lessons learned für entspanntere Stadtdurchfahrten ist: Handy am Mann! Und vielleicht doch mal n Notriegel im Trikot. Und wenn es einfach nur für den Kopf ist.

Und das am Rande: Das meiste ist erstmal auch nur für den Kopf. Völlig ausreichend. Und so wichtig.

Mein Gedanke ist: Torsten wird schon die richtigen Entscheidungen treffen. Wir werden ihn irgendwann wieder einholen. Bis dahin können wir wirklich nichts machen. Er hingegen hat irgendeinen Handlungsspielraum. Und den nutzt er letztendlich auch und erreicht uns auf Umwegen telefonisch. Die Geschichte dahinter würde zu weit führen. Ich empfehle hier den Rennbericht aus Torstens Sicht (bei Facebook zu finden).

Auf ner schönen grünen Wiese..

Am Ende des Tages finden wir wieder zusammen. Torsten liegt, alle Viere von sich gestreckt, in irgendeinem Vorgarten herum. Neben ihm das abmontierte Vorderrad. Platten. Wir kommen zum Stehen. Springen aus dem Auto, wechseln wenig Worte. Radtausch, Fahrer wieder rauf aufs Rad nach dem unfreiwilligen Ultra-Powernap und weiter gehts.

Aus mentaler Sicht ne ziemlich starke Leistung, einen Haken dran zu machen und motiviert weiterzufahren. Kann man jetzt natürlich auch sagen: Ja klar, was soll man denn sonst auch machen. Aber viel zu oft passiert es uns doch, dass wir zu lange an Rückschlägen festhalten und uns selbst damit die letzte Energie rauben. Gerade zu Beginn eines solchen Rennens ist da großes Kopfkino vorprogrammiert bei solch einer Verkettung von Blödsinn.

Viel später, am Ende des Rennens werde ich Torsten nochmal über Funk fragen, was seiner Meinung nach seine „3 best Actions“ auf der Strecke waren. Eine wird sein, dass er sich durch die Panne und unsere längere Abwesenheit durch Stau und Sperrungen nicht hat demotivieren lassen. Ich gebe ihm Recht. In solchen Situationen entscheidet sich zum einen, wie stark ein Team ist und ob es eben nicht nur unter optimalen Bedingungen gut läuft. Zum anderen ist es wichtig zu erkennen, dass man sich ärgern darf und soll – schönreden bringt nunmal auch nichts, denn die Situation ist unübersehbar richtig sch***.

Ich empfehle immer, dass man sich als Sportler dann einen zeitlichen Rahmen steckt, wo man sich so richtig auskotzen darf und soll.

Um danach zu entscheiden, neu zu starten und das Ding abzuhaken. Hinfallen, aufstehen, Helm richten, weiterfahren. So hats dann auch Torsten gemacht und das war das beste, was er tun konnte. Auch wir als Crew waren übrigens erleichtert, denn das hätte ebenso in einer Vorwurfsschleife enden können. Die aber eben zu nichts führt. Also Fokus nach vorn. Es sind auch noch ein paar Kilometer zurückzulegen.

Als Crew haben wir verschiedene Aufgaben während der Fahrt. Die wichtigste: Alles dafür tun, dass es unserem Fahrer gut geht.

Torsten soll „einfach nur“ fahren müssen. Nicht mehr und nicht weniger. Denn das ist schon genug. Das bedeutet, wir nehmen ihm in gewisser Weise auch das Denken und Entscheiden ab, wenn es drauf ankommt. Und erfüllen ihm (fast) jeden Wunsch. Per Funk gibt er durch, was er benötigt. Sei es eine neue Trinkflasche, etwas zu snacken oder „grad mal schnell n Tool, das Garmin wackelt so blöd rum“.

Wir reichen ihm alles aus dem Beifahrerfenster raus. Die Kunst des Busfahrens besteht an dieser Stelle vor allem darin, zwar nah genug an Torsten ran, ihn jedoch auch – im besten Fall – nicht umzufahren. Da ist hohe Konzentration und gute Kommunikation gefragt, damit dem Fahrer auch klar ist, dass die Übergabe geklappt hat und wir wieder Abstand halten können. Um es kurz zu machen: Das hat alles hervorragend geklappt.

Während wir also die meiste Zeit brav hinter Torsten herfahren, kann hinten immer wieder neue Nahrung zubereitet werden. Es gilt verschiedene Drinks zu mixen und kaltzustellen, sowie auf Nachfrage auch Milchreis, Porridge und Risotto in kleine Tütchen zu füllen und anzureichen. Alles was rausgeht wird dokumentiert, um die Nährwerte im Blick zu behalten.

Klappt alles wie abgesprochen. Im Laufe des Rennens werden Torstens Wünsche etwas weniger beliebig und es darf auch schonmal ein Weizen sein oder belegtes Toastbrot. Wie schon erwähnt: Die Crew macht alles möglich.

Unser Begleitfahrzeug

Werfen wir mal kurz einen Blick auf und in unser Vehikel. Wir sind schon echt gut ausgestattet, mit unserem A-Team Bus. Tatsächlich gibt es eben auch deutlich kleinere Begleitfahrzeuge und wir haben so immerhin viel Bewegungsfreiheit und diverse Kühl- und Lagermöglichkeiten. Da wir ohnehin nicht durch die Prärie rasen, ist so ein gemütlicher Camper auch völlig ausreichend und macht einfach nen guten Job, indem er uns auch mental bei Laune hält. Zwar hat Torsten sicher den körperlich schwersten Job von uns, jedoch ist es auch nicht ohne, 27 Stunden zusammen im Auto zu hocken. Eine ebenso explosive Mischung aus Motivation, Müdigkeit, Konzentration, Teamgeist und Grundbedürfnissen, wie zum Beispiel Schlaf.

Es gibt eine recht ordentliche Schlafmöglichkeit im Bus, die aber niemand von uns genutzt hat. Ich selbst kann von mir sagen, dass ich zwei tote Punkte hatte. Einmal in der frühen Nacht, den habe ich mit Red Bull überwinden können und indem ich mich voll und ganz auf Torsten fokussiert habe (Was braucht er grad? Was kann ich dazu beitragen?).

Eine Aufgabe schützt davor, wirklich einschlafen zu wollen.

Den anderen hatte ich dann morgens gegen 6:00, als gerade Brötchen und Kaffee auf abenteuerliche Weise unser Fahrzeuginneres eroberten. Und klar denkst du dann die ganze Zeit: Mist, noch kein anderer gepennt hier die letzten Stunden. Jetzt bin ich die erste, die „versagt“. BULLSHIT!

Denn: So wichtig ist es, gut zu sein und das beste für den Fahrer zu leisten. Und um eben so gut zu sein, muss ich ausgeruht sein. Und nicht drüber. Also entscheide ich kurzerhand: Ich penne. 20 Minuten. Powernap. Danach bin ich erfahrungsgemäß wieder topfit.

Wichtig an der Stelle: Nicht fragen, sondern machen.

Natürlich auch nicht einfach so, aber es reicht einfach kurz durchzugehen, was vorbereitet sein muss, damit der Rest der Crew arbeiten kann. Und für den Kopf dann: Nicht fragen „Hm, meint ihr, ich kann mich mal kurz hinlegen? Nur so ganz kurz? Also vielleicht? Also, wenn es euch nichts ausmacht versteht sich..? Was meint ihr?…“

Sondern das tun, was ich auch meinen Athleten immer wieder sage: Nehmt euch ernst und seid auch mal egoistisch – in einem sicheren Rahmen versteht sich. Stelle sicher, dass alles ohne dich läuft und dann leg dich um Himmels Willen einfach mal 20 Minuten hin. Die Welt wird in dieser Zeit nicht untergehen.

Ging sie auch nicht. Und ich war wie ausgewechselt.

Wenn es später und später wird und auch der Mensch auf den Rennrad unkonzentrierter und müder wird, bringt es niemandem etwas, wenn die Crew hinter ihm genauso verballert durch die Gegend gurkt.

Verantwortung. Und die nehme ich ernst. Meine Empfehlung an der Stelle: Ist gesund und ich finde es wichtig, dass man nicht aus falschem Stolz und Ehrgeiz Bedürfnisse wegdrückt und nicht ernst nimmt. Das kann fatale Folgen haben und bringt am Ende wirklich niemanden weiter in so einem Rennen. Ganz im Gegenteil. Und hey, wenn was ist, lieg ich ja schließlich im Auto (und nicht in irgendeinem Vorgarten) und man kann mich wecken. So einfach ist das. Bevor wir uns jetzt hier wieder nen Knoten in den Kopf denken.

An der Stelle ist noch etwas sehr wichtiges zu erwähnen: All das was im Auto passiert bleibt im Auto. Es sei denn es betrifft den Fahrer unmittelbar. Das war auch meine oberste Prämisse in der Kommunikation mit Torsten. Nicht zu viele Rückfragen stellen, z.b. bei der „Bestellungsaufnahme“ der Nahrungsmittel.

Fragen wie „Willst du jetzt eher weniger oder mehr Marmelade in den Milchreis und lieber Aprikose oder doch eher Erdbeere?“ können ziemlich an den Nerven zehren. Vor allen Dingen dann, wenn es windig ist und die Akustik via Funk vielleicht gerade nicht so optimal. Umso wichtiger ist es, Absprachen bereits vor dem Rennen so gut es geht zu treffen.

Damit ich in etwa weiß, worauf der Fahrer besonders Wert legt und was im Zweifel vielleicht auch einfach mal peng ist.

Ein schönes Beispiel dafür ist der kurze Pitstop in der Nacht, wo Torsten auch andere Klamotten anziehen möchte. Über Funk gibt er uns durch, was er gern hätte. Unter anderem: Armlinge. Alles klar. Meine leichteste Übung: Armlinge aus den Kisten holen. Also suche ich, finde… stufe das Knäuel als Beinlinge ein. Überlege nochmal kurz und vergleiche innerlich mit meinen Knäueln zuhause und bleibe bei der Einstufung. Suche weiter..finde Armlinge. Kommen mir aber so dick vor. Hm.. Wir stoppen bereits. Ich frage Chris, der den Wagen mit eingeräumt hat: Sag mal, hat der Torsten mehrere Paar Armlinge mit? Ja hat er. Ich ahnte es…

Was wie eine Winzigkeit klingt, entscheidet über An- und Entspannung.

Niemand hat Lust, dass Torsten beim Stop länger als nötig herumsteht, um auf die richtigen Klamotten zu warten. Torsten am allerwenigsten. Davon abgesehen, dass wir Zeit verlieren, kann er auskühlen und oder maximal genervt sein. Was wiederum Energie kostet. Ergo macht es Sinn, unser lessons learned für das nächste Rennen, eine Liste zu machen, wo notiert ist was tatsächlich mit an Bord ist. Auf den Wunsch hin kann man dann also entweder beide Paare rauslegen oder aber nachfragen ob die dünnen oder dicken gemeint sind. Ich weiß, es klingt wirklich maximal banal. Aber wenn ihr nochmal an die explosive Mischung denkt. Nach bereits einigen hundert Kilometern:

Da sind alle entspannter, um so weniger Entscheidungsunsicherheiten hier noch mitmischen wollen.

Apropos Entscheidungsunsicherheiten. Es galt ein paar Hindernisse zu überwinden. Vorn im Auto wird gefahren und navigiert. Die Strecke ist vorgegeben, aber nicht gesperrt. Also zumindest nicht für das Rennen. Wohl aber an so mancher Stelle überraschend und aus anderen Gründen.

Was wiederum zur Folge hatte, dass wir diverse Male anders fahren, als unser Fahrer und ihn dann wieder irgendwo einsammeln mussten. Nachdem wir ja gleich zu Beginn so einen fulminanten Spannungsbogen erzeugt hatten, war es jedes weitere mal ein kleines Abenteuer, das immer auch ein wenig unkalkulierbar war. Aber wie sagte Torsten so schön: Das ist eben auch ein bisschen Abenteuer. Und ich bin ohnehin davon überzeugt: „It´s part of the game.“ Und genau das macht die Faszination solcher Events vielleicht am Ende auch ein wenig aus. Zu unserer aller Entspannung hat Torsten dann übrigens auf den wirklich letzten Kilometern, die er auch allein gefahren ist, sein Handy im Trikot gehabt. Better safe than sorry!

Irgendwann hat natürlich auch ein Ultracyclist mal ein Tief und stellt sich die Frage, was er denn da eigentlich macht und warum das ganze und überhaupt. All das was wir eben auch als Ausdauerathleten kennen, meist sogar schon bei viel kürzeren Distanzen. Bei Torsten kam das, zumindest sichtbar, erst recht spät. Aber auch das ist ja relativ. Und gar nicht so einfach einzuschätzen als Crew, weil du ihm nur selten wirklich gegenüberstehst und ins Gesicht sehen kannst. Dir bleibt im Prinzip nur eine sehr eingeschränkte Kommunikation. Du siehst den Fahrer die ganze Zeit von hinten und kannst über Funk mit ihm kommunizieren. That´s it. Klar, du bemerkst auch wenn er langsamer wird oder sich die Körperhaltung verändert.

Als Crew und als Mentalcoach ist Feingefühl und ein gutes Gespür für den Athleten und die Situation der wichtigste Kompass für die richtigen Entscheidungen in den richtigen Momenten.

Die meiste Zeit war es für mich recht gut zu beurteilen und ich konnte entsprechend reagieren und Torsten „lenken“. Mal haben wir uns unterhalten, ein anderes Mal hat er Musik auf die Ohren bekommen via Funk und sehr oft habe ich ihm nahezu die gesamte Onlinekommunikation vorgelesen. Ich war auch verantwortlich für die Social Media Kommunikation und habe so oft es ging Live Videos veröffentlicht, sowie sämtliche Fragen beantwortet. Für Torsten ein echter Motivationsbooster, die Kommentare von da draussen zu hören und zu erleben, dass wirklich viele Leute als Support in der Ferne mit dabei sind.

Zeitweise hat er auch Fragen beantwortet oder Posts kommentiert. Ich war sozusagen Schnittstelle und wirklich auch selbst baff, dass selbst ein mitten in der Nacht gedrehtes Live-Video direkt kommentiert und angesehen wird.

Nach dem Rennen meinte Torsten, dass ihn das mega motiviert hat. Klar, wenn du stundenlang da ganz allein vor dich hin fährst, tut es gut, zu wissen da sind noch andere Verrückte. Die finden gut was du da machst. Und die fiebern mit dir.

Als irgendwann klar war, dass Torsten in nem Motivationsloch steckt, fing mein Hirn an zu rattern.

Für mich war aber schnell an diesem Punkt klar: Ich frage ihn!

„Torsten, was brauchst du grad? Musik? Quatschen? Was zu essen?“ Du kannst nämlich mit deinen Ideen, was er sicher grad bräuchte ziemlich fett daneben liegen. Und dann wirds nur nervig. Wir haben dann also gequatscht. Ich hab ihn gefragt, was grad besonders gut läuft. Nach ein paar Sekunden meinte Torsten, dass er im eigenen Tritt sei. Das liefe besonders gut. Aus mentaler Sicht eine wichtige Einschätzung, da genau dieser Tritt ihn voranbringt und es zwar grad hart ist, aber dennoch läuft. Also wirklich eine Kopfsache und meine Aufgabe in diesem Moment, den Fokus auf das zu lenken, was gut funktioniert.

Später an anderer Stelle fragte ich ihn, was seine 3 best Actions waren während des Rennens. Neben der stoischen Weiterfahrt nach der Panne in Bonn war Torsten von den Pitstops begeistert und davon, dass er einfach gut durchfährt. So wichtig, sich immer wieder solche Marker zu setzen, an denen ich meinen Erfolg ablesen kann.

Das Thema Ernährung spielt natürlich bei solchen Distanzen eine sehr große Rolle und so war es kurz mal bescheiden ruhig im Auto, als Torsten meinte er habe Magenprobleme und Sodbrennen:

„Irgendwo müssten aber so Tabletten sein!“ Niemand wusste von deren Existenz. Niemand hatte sie je in der Hand gehalten, geschweige denn an einen guten Ort gepackt.

Also diskutieren wir in Schleifen. „Wer hat denn…“ „Also du hattest doch..“ „Äh, also ich habe ja zuletzt gesehen, dass..“ Siehe oben, führt zu nix. Ich gebe Torsten also durch, dass wir suchen und ich derweil recherchiere, was er sicher gut verträgt und was nicht. „So, Torsten, keine Milchbrötchen und kein Toast mehr. Porridge geht aber.“ Und ein begeisterter Torsten: „Cool, DAS haben wir da!“

Fazit: Nicht lang fackeln, Lösungen finden.

Suchen kann man später noch immer. Und: Den Fahrer nicht bekloppt machen. Der ist ja schon auch bekloppt genug. Wenn du´s dann noch schaffst dass er sich darüber freut, dass genau das an Essen mit an Bord ist, was er darf. Ja dann Hallelujah!

Belohnt wurde er übrigens auch zum Bergfest. 780km sind ja recht unübersichtlich und so habe ich irgendwann gefragt, was er sich zur Belohnung als Goodie wünsche. Ich meine, es war ein Weizen. Hat er bekommen.

Etappenziele, so wichtig.

Allerdings sollte man doch etwas vorsichtig mit Versprechungen sein. Zum Sonnenaufgang wurde ein Käsebrötchen mit Kaffee gewünscht. Da wir uns aber inmitten von Feldern befanden, fuhren wir zwar in einen wirklich zauberhaften Sonnenaufgang, jedoch seit Stunden ohne irgendeine Bäckerei gesehen zu haben. Auch die Crew hatte sich nur mittelmäßig mit Brötchen eingedeckt und die einzige Tanke, auf die wir gesetzt hatten, hatte original nur Zapfsäulen und einen Menschen, bei dem man zahlt. Sonst NIX. GAR NIX.

Aber wir wären nicht wir, wenn wir nicht das A-Team wären. Team Rakete, hier in Person von Chris, hat irgendwo im Nirgendwo eine Landbäckerei aufgetan, wo gerade verladen wurde. Und ne Menge Brötchen abgestaubt. Und Kaffee. O-Ton Torsten:

„Das beste Käsebrötchen, das ich je bekommen habe! Sogar mit Remoulade! Der Hammer“

Ganz nebenbei kann ich auch mal neben dem Trecker austreten, bevor es wieder zurück zu unserem Radler geht. Man muss die Pausen feiern wie sie fallen. Und Torsten? Der fährt seit geraumer Zeit vor sich hin in den neuen Tag und fragt sich, wo denn das Brötchen bloß bleibt, das ihm versprochen wurde. Ich wiederhole: All die Turbolenzen, die backstage stattfinden, damit es dem Fahrer möglichst gut geht: Crew-Sache. Mit nix anderem, als mit dem Fahren soll er sich beschäftigen. Hauptsache da taucht irgendwann dieses verdammte Brötchen auf. Mission Frühstück bei Sonnenaufgang: Completed!

Unterwegs begegnen wir zwar nur selten, aber dennoch immer mal anderen Fahrern. Die non-supported Fahrer sind ebenso auf der Strecke und auch unsere naheliegenden Mitfahrer, wie z.b. Nico Mausch, mit dem Torsten sich in der Mitte des Rennens ein Duell liefert. Das er letztendlich, bei aller Freundschaft, für sich gewinnen kann. Die Situation entscheidet sich an einer Tankstelle, wo wir einen Radwechsel einplanen und unverhofft auf Nico und seine Crew treffen, die uns die letzten Brötchen weggekauft haben. Auch das zehrt an den Nerven. Dafür kann Torsten aber an diesem Punkt an Nico vorbeiziehen. Wir fühlen uns besänftigt und ich kaufe die vier besten und vermutlich teuersten Baguettes in der Tanke gegenüber. Und wir liegen auf Platz 2, den wir bis zum Ziel auch nicht mehr verlassen sollen.

Wir haben natürlich die gesamte Zeit auch die anderen Fahrer im Auge und gerade in der letzten Phase des Rennens fuhr nochmal etwas Spannung mit. Leider war es aber auch dem Timetracking Tool zu spannend und alle Fahrer befanden sich laut Webseite bei 0km. Mental gesehen eine Katastrophe. Wenn dem tatsächlich so wäre und wir uns alle so fühlen würden, wie wir uns nach 650km fühlten. Zum Glück gibts aber Social Media und wir konnten schauen, wann denn Nico Mausch, der Fahrer hinter uns, zuletzt ein Photo gepostet hat:

„Torsten du kannst beruhigt fahren, der Abstand zwischen Nico und dir ist gleichbleibend. Er ist jetzt erst da und da. Hat er eben gepostet.“ „Und der vor mir?“ „Keine Ahnung, Torsten! Fahr einfach..“

Dank der zahlreichen Zuschauer, die dann in den frühen Morgenstunden auch immer mehr wurden, waren wir wirklich alle ziemlich gut vernetzt und informiert. Das war definitiv eine große Teamleistung und unser Team war weitaus größer, als das was da im Wagen mit uns Dreien rumfuhr.

150KM – Der Endspurt

Ja es mag schon ein wenig verrückt klingen, wenn man bei KM 150 vom Endspurt spricht. Bei einer Distanz von 780km aber im Rahmen irgendwie. Als wir die 100 knacken sagen wir Torsten an, dass es nicht mehr weit ist. Naja, also in Relation. je näher wir dem Ziel kommen, desto munterer werden auch wir im Bus. Unter 100. Hey, das fährt man ja schon in ner ganz normalen Trainingsrunde. Ich habe den Eindruck, dass auch Torsten nen Extrabooster bekommen hat aufgrund des näher rückenden Finishs. Eindrucksvoll finde ich, dass er auf diesen „letzten“ Kilometern immer noch genau so stoisch fährt wie auf den ersten 100. Verrückter Typ. Leidenschaftlich im wahrsten Sinne.

Bei KM 50 melde ich auch diese Marke an Torsten und bemerke: „Hey Torsten, da sind wir jetzt in nem Bereich, da ziehen manche nicht mal ihre Radhose für an.“ Torsten wird ein bisschen frech und meint: „Die haben dann aber auch nicht die Kilometer vorher zurückgelegt“ Ich stelle also fest: Geht ihm ganz gut. Wir sind guter Dinge. Alle.

Wichtig ist, dass alle auf den letzten Metern weiter aufmerksam sind. Die meisten Fehler passieren, auch in Teamtrainings, wenn das Ziel in Sicht ist. Obwohl man längst noch nicht da ist.

Ich frage Torsten worauf er sich am Ziel am meisten freut. Auf ein Weizen meint er. Tja, hätte er das nur mal früher gesagt, hätten wir uns den ganzen Spaß auch sparen können. Weizen hatten wir echt genug mit an Bord..Nun ja, aber nun ist es eben so und wir sind seit gut 27 Stunden unterwegs. Dann packen wir die 50 auch noch.

„Torsten, wie sollen wir es machen mit der Zieleinfahrt? Magst du allein fahren? Sollen wir vor?“ Fragen, die wir auch vorher immer wieder gestellt und ihn ein paar Meter haben allein fahren lassen. Jetzt, kurz vor Ziel, ist es nochmal besonders irgendwie. Den Fahrer das letzte Mal sehen, sich verabschieden und ihm alles gute wünschen ist in etwa so, wie ihn zu Anfang in Aachen allein losfahren lassen zu müssen. Schon ne seltsame Synergie, so ein Rennradfahrer mit seinem Begleitfahrzeug mitsamt Crew.

Torsten beschließt die letzten 15km allein zu fahren. Wir fahren vor, um ihn im Ziel zu erwarten. Diesmal nicht, ohne ihn mit Handy und Tools auszustatten. Wir haben dazugelernt. Eine gefühlte Ewigkeit zuvor.

Da rollt er dann also. Es gilt noch einige Wellen zu bezwingen. Nie so oft habe ich ihn fragen hören wieviele Berge noch kommen. Und nie so oft habe ich Rolf sagen hören: Nur noch einer. „Geht dann quasi nur noch bergab!“ Naja, man muss auch die Berge feiern wie sie fallen. Oder wie war das? Um es kurz zu machen Er hat unsere kleinen Lügen überlebt.

Im Ziel ist die Freude des Wiedersehens groß. Irgendwie fühlt man sich ja sehr verantwortlich für den Fahrer, der dann eben solo die letzten Meter unterwegs ist. Und fiebert dem Ziel genauso entgegen. Ich habe die Zieleinfahrt live gefilmt und dank der tollen Zuschauer wurde mir auf den Meter genau angesagt, wieviele KM er noch vor sich hat. Da im Ziel nicht allzuviel los war, war es schön zu sehen, dass irgendwie dann doch ne Menge Menschen „live“ mit dabei sind und auch mit mir kommunizieren.

Torsten fährt ein. Als zweiter mit 27:06 Stunden hinter Rainer Steinberger, der unglaubliche 25:16h brauchte, um sein Ziel zu erreichen. Nico Mausch fährt später mit 28:24h auf den dritten Platz. Der Streckenrekord ist somit von Platz 1 und 2 geknackt worden und irgendwie sind wir dann doch alle ein bisschen stolz.

Ich habe den Eindruck Torsten weiß gar nicht so recht wohin mit sich. Umarmungen, Gratulation, Sekt, Weizen, Photos, ein Dankeschön an die Social Media Community. Ein roter Teppich bei den Oscars könnte kaum anstrengender sein nach so eine Ritt, denke ich mir. Irgendwie nimmt man das alles so leicht benebelt mit. Einen völlig desolaten Eindruck macht er aber übrigens nicht. Was mich sehr fasziniert. Die Müdigkeit kommt aber dann später wie ein Hammer, als wir endlich im Hotel sind.

Am nächsten Morgen beim Frühstück frage ich ihn nochmal, was für ihn die Zieleinfahrt bedeutet und inwieweit sie sich von anderen Rennen unterscheidet, wo die ganze Zeit viel Trubel ist. Da sagt er, eigentlich gehe es gar nicht so sehr um die finale Zieleinfahrt. Das schönste seien die letzten Kilometer. Wenn man weiß, dass mans bald gepackt hat. Das beste Gefühl überhaupt.

Fazit

Ich habe das Gefühl, dass wir alle erst wirklich am nächsten Tag so richtig verstanden haben, was wir da gemacht haben. 27 Stunden wie im Rausch. Mit sehr unterschiedlichen Funktionen, aber alle mit dem selben Ziel: Unseren Fahrer heil ins Ziel bekommen. Dass uns das auch noch in dieser Top-Zeit und mit den anfänglichen Herausforderungen gelungen ist, freut uns wirklich sehr.

Ich persönlich habe vermutlich auch erst im Ziel verstanden, welchen großen Anteil wir als Crew an dem Ergebnis hatten.

In dem Moment als es für alle anderen selbstverständlich war, der gesamten Crew zu gratulieren. Ja klar, denke ich. Sind ja auch irgendwie ein Teil des ganzen.

Für mich war es eine tolle Erfahrung. Als Sportlerin und natürlich aus Mentaltrainersicht. Mein Traum ist es, irgendwann einmal ein Team beim Race across America begleiten zu dürfen. Wie es aussieht, habe ich mit Torsten Weber da einen Athleten, mit dem das möglich werden kann. Qualifiziert hat er sich bereits und das Race across Germany hat mich in dem Wunsch und in seiner Faszination bestärkt.

Ich arbeite in meinen Coachings zwar sportartübergreifend, mich fasziniert aber insbesondere der Ausdauersport und hier besonders die Ultradistanzen. Weil der Kopf hier einfach unglaublich viel Zeit hat, sich mit Blödsinn zu beschäftigen und die Herausforderungen mit jedem Kilometer größer werden. Gerade hier kann gezielt eingesetztes Mentaltraining, bereits lange vor dem Wettkampf, einen großen Teil zu mehr Gelassenheit und Stärke beitragen. Hart wird es dennoch. Aber fair. Die Frage ist eben, welche Stellschrauben wir für uns bereits im Vorfeld drehen, damit es so optimal wie möglich laufen kann.

Ebenso ist die mentale Belastung der Crew nicht zu unterschätzen, da sie einen großen Teil der Verantwortung übernimmt, aber eben auch unter sehr besonderen Umständen, die mitunter zu Stresssituationen führen können, zum Beispiel aufgrund unglücklicher Kommunikation, falsch verstandenen Rollen oder aufgrund unterschiedlicher Ziele.

Ich bereite Torsten und Crew weiter auf das Race around Austria vor und freue mich sehr über diese Zusammenarbeit. Weil ich mit tollen, motivierten Menschen arbeiten darf, die die Extrameile gehen wollen. Und die dafür keine Herausforderung scheuen. Mit Torsten als Sportler, der sein bestmögliches dafür tut, damit es auch der Crew gut geht und alle an diesen Erfolgen beteiligt sein können.

Mein Dank geht an dieser Stelle an Torsten, der mir und meiner Arbeit vertraut und mein Feedback sehr schätzt. An eine Crew, die mich mit aufgenommen hat und der auch eine völlig neue Sichtweise, als Mentalcoach, wichtig und zielführend ist.

Last but not least bewundere ich diese sportliche Leistung auch sehr und bin sehr fasziniert von Torstens Disziplin. Daran werde ich auch bei eigenen Challenges, die anstehen sicherlich denken.

In diesem Sinne: Keep up the good work & live your dream!

Von tanja ney

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